FAQ Evaluierung psychische Belastungen

Das Ziel ist eine menschengerechte Gestaltung der Arbeit (Aufgabenanforderungen und Tätigkeiten, Arbeitsabläufe und Arbeitsorganisation, Soziales- und Organisationsklima und Arbeitsumgebung) zum Erhalt und zur Förderung der Gesundheit der Beschäftigten.

Die Arbeitsplatzevaluierung gemäß § 4 ASchG ist ein fortlaufender Prozess bei dem psychische und physische Belastungen am Arbeitsplatz/beim Arbeitsvorgang systematisch ermittelt, beurteilt und Gefahren durch Festlegung und Umsetzung geeigneter Maßnahmen verhütet werden sollen. Die Arbeitsplatzevaluierung psychischer Belastungen ist ein Bestandteil der allgemeinen Arbeitsplatzevaluierung. Bei der Arbeitsplatzevaluierung sind die Grundsätze der Gefahrenverhütung gemäß § 7 ASchG anzuwenden.

Eine Arbeitsplatzevaluierung umfasst:

  1. Ermittlung und Beurteilung von Gefahren
  2.  Festlegung und Umsetzung von Maßnahmen zur Gefahrenverhütung
  3. Überprüfung der Wirksamkeit festgelegter Maßnahmen (haben sich die betroffenen Arbeitsbedingungen durch die festgelegten Maßnahmen verbessert?)
  4. Dokumentation der Ergebnisse der Ermittlung und Beurteilung und der durchzuführenden Maßnahmen

Die Arbeitsplatzevaluierung psychischer Belastungen ist nicht vollständig, wenn nur ein Messverfahren (standardisierte Befragung, etc.) zur Ermittlung von Gefahren vorgegeben wird. Erst die Durchführung der übrigen Prozessschritte, insbesondere die Umsetzung wirkungsvoller Maßnahmen zur Beseitigung von Gefahren am konkreten Arbeitsplatz/Arbeitsvorgang vervollständigt die Arbeitsplatzevaluierung.

Besondere Bedeutung kommt der Planung und Organisation der Arbeitsplatzevaluierung zu.
Wesentlich für den Erfolg der Arbeitsplatzevaluierung psychischer Belastungen ist, die jeweiligen Gegebenheiten der Arbeitsplätze, der spezifischen Tätigkeiten und Arbeitsumgebung zu berücksichtigen und auch die betroffenen MitarbeiterInnen bereits im Vorfeld über Durchführung, Ziele und Inhalt zu informieren und sie während des gesamten Prozesses der Arbeitsplatzevaluierung zu beteiligen.

Für eine effiziente und ressourcenschonende Umsetzung hat es sich bewährt, bereits bei der Planung zu bedenken, welche Personen, bei welchen Prozessschritten (z.B. bei der Maßnahmenumsetzung) einbezogen werden.

Da Arbeitsplätze/Tätigkeiten oft sehr unterschiedlich sind, gibt es nicht die eine richtige Vorgehensweise, die zu jeder Arbeitsstätte passt. Die Gestaltung der Arbeitsplatzevaluierung hängt u.a. von vorhandenen betrieblichen Strukturen, der zu verrichtenden Arbeitstätigkeit, der Arbeitsumgebung an den zu evaluierenden Arbeitsplätzen ab. In vielen Fällen kann bereits auf Informationen aufgebaut werden, die im Betrieb schon vorliegen (PFK-Berichte und Aufzeichnungen, Fehlzeiten- und Unfallursachenanalysen etc.) und es können Personen eingebunden werden, die schon Erfahrungen mit dem Arbeitsschutz haben (Präventivfachkräfte, Belegschaftsorgane, Sicherheitsvertrauenspersonen, ggf. sonstige geeignete Fachleute, etc.).

Grundsätzlich sind Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber für die Umsetzung der Arbeitsplatzevaluierung verantwortlich. Gibt es im Unternehmen einen Arbeitsschutzausschuss (ASA), besteht bereits eine Steuergruppe, die für die Koordination dieses Prozesses zuständig ist, damit gemeinsam ein Konzept zur systematischen Umsetzung erstellt wird.

Für die Arbeitsplatzevaluierung (Ermittlung und Beurteilung der Gefahren; Festlegung der Maßnahmen) sind Präventivfachkräfte und erforderlichenfalls geeignete Fachleute hinzuzuziehen. Belegschaftsorgane und Sicherheitsvertrauenspersonen sind zu beteiligen. Beschäftigte geben Auskunft über Arbeitsbedingungen und können als Expertinnen und Experten des konkreten Arbeitsplatzes/Arbeitsvorgangs auch zur Konkretisierung der Messergebnisse sowie zur Bildung der Maßnahmen hilfreiche Informationen geben.

Erforderlichenfalls können z.B. Arbeitspsychologinnen und Arbeitspsychologen als sonstige geeignete Fachleute herangezogen und mit der der Evaluierung beauftragt werden.

Die Arbeitsplatzevaluierung psychischer Belastungen umfasst jedenfalls die Gestaltung folgender vier Dimensionen:

  1. Tätigkeits- und Aufgabenanforderungen
  2. Abläufe und Organisation der Arbeit
  3. Sozial- und Organisationsklima
  4. Umgebung in welcher die Arbeit verrichtet wird

Beispiele für arbeitsbedingte psychische Belastungen

  • Belastungen durch Tätigkeits- und Aufgabenanforderungen, z.B. zu hohe körperliche und/oder geistige Belastung, zu hohe emotionale Belastung, häufige Über- oder Unterforderung durch die Aufgaben.
  • Belastungen durch die Abläufe und Organisation der Arbeit, z.B. Doppelarbeit, unklare oder widersprüchliche Ziele/Zuständigkeiten, belastende Arbeitszeitgestaltung, keine Pausen, fehlende Information/Unterweisung.
  • Belastungen durch das Sozial- und Organisationsklima, z.B. mangelnde Unterstützung durch Führungskraft bzw. KollegInnen, Benachteiligung/Nicht-Einbeziehung bestimmter Personengruppen, Informations- und Kommunikationsmängel, ungenügender Handlungsspielraum.
  • Belastungen durch die Umgebung in welcher die Arbeit verrichtet wird, z.B. ungünstige Beleuchtung, Lärm, ungünstiges Umgebungsklima, Platzmangel, mangelhafte Arbeitsplatzausstattung und Arbeitsmittel, benutzungsunfreundliche Software.

Weitere Informationen zu den vier Dimensionen finden sich im § 4 und § 7 ASchG, in der Ö-NORM EN ISO 10075 sowie im Leitfaden und im Merkblatt der Arbeitsinspektion.

Messverfahren sind geeignet, wenn sie arbeitsbedingte psychische Belastung (und nicht Personenmerkmale wie Zufriedenheit, Beanspruchung, Gesundheit, Wohlbefinden, Burnout-Risiko, Motivation etc.) standardisiert und qualitätsgeprüft messen und die Messergebnisse eine Grundlage für die Entwicklung von Maßnahmen zur Gefahrenverhütung liefern.

Prinzipiell kann unterschieden werden zwischen:

  • qualitätsgesicherter und standardisierter Arbeitsplatzbeobachtung
  • qualitätsgesicherten und standardisierten Fragebögen
  • qualitätsgesicherten und standardisierten Gruppenverfahren
  • qualitätsgesicherten und standardisierten Einzelinterviews

Kommen schriftliche Befragungen zum Einsatz, geben deren Ergebnisse Anhaltspunkte, wo arbeitsbedingte psychische Belastungen vorliegen. Eine Konkretisierung kann durch Beteiligung von betroffenen Beschäftigten, z.B. im Rahmen von Maßnahmenworkshops, erreicht werden.

Die Wahl des Messverfahrens hängt u.a. von der Organisation des Evaluierungsprozesses, den Kompetenzen der beteiligten Expertinnen und Experten (z.B. Arbeitsmedizin, Sicherheitsfachkraft, Belegschaftsorgane, Sicherheitsvertrauensperson, sonstige geeignete Fachleute) und der Betriebsstruktur ab.

Es gibt eine Vielzahl von Messverfahren, von denen einige kostenfrei bezogen werden können.

 Nähere Informationen zu Messverfahren finden Sie hier unter  www.eval.at.

Im Abschnitt 6 des  Leitfaden der Arbeitsinspektion (PDF, 0,5 MB) finden Sie Informationen zur Eignung und zum Einsatz von Messverfahren.

Bei der Umsetzung der Ermittlung, Beurteilung und Maßnahmenfestlegung sind alle Tätigkeiten und Arbeitsplätze zu berücksichtigen. Es müssen aber nicht alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer befragt oder beobachtet werden. Um psychische Arbeitsbedingungen zu verbessern sollte immer ein Messverfahren angewendet werden, das für die Situation im Betrieb passend ist und mit dessen Ergebnissen geeignete Maßnahmen abgeleitet werden können. Je nach Unternehmensgröße und Art der Tätigkeiten und Arbeitsumgebung kann auch mit einer Kombination verschiedener Messmethoden gearbeitet werden.

Nein, wesentlich ist, dass die Evaluierung der psychischen Belastungen zum Betrieb passend geplant ist, Anwenderinnen und Anwender von Messverfahren über notwendige Fachkunde verfügen, die Ergebnisse zur Gefahrenbeurteilung richtig interpretiert werden und in weiterer Folge geeignete Maßnahmen zur Gefahrenverhütung festgelegt werden.

Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber haben Arbeitspsychologinnen und Arbeitspsychologen (als „sonstige Fachleute")

  • „erforderlichenfalls" bei der Evaluierung heranzuziehen und können sie auch mit der Evaluierung beauftragen (§ 4 Abs. 6 ASchG),
  • „erforderlichenfalls" für die Unterweisung heranzuziehen (§ 14 Abs. 1 ASchG),
  • „erforderlichenfalls" in den Angelegenheiten gemäß §§ 76 Abs. 3 ASchG bzw. 81 Abs. 3 ASchG beizuziehen und können sie im Ausmaß von max. 25 % der Präventionszeit beschäftigen.

Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber beurteilen und entscheiden nach der in der konkreten Arbeitsstätte gegebenen Gefahren- und Belastungssituation, ob für eine bestimmte Aufgabenstellung die fachlichen Qualifikationen der Sicherheitsfachkraft und der Arbeitsmedizinerin/des Arbeitsmediziners ausreichen oder eine sonstige Expertise erforderlich ist. Aufgrund erforderlicher Fachkenntnisse kann es mitunter auch sinnvoll sein, sonstige geeignete Fachleute nur bei einzelnen Prozessphasen einzubeziehen, z.B. bei der Ermittlung und Interpretation der Ergebnisse, und gemeinsam mit den Präventivfachkräften bei der Maßnahmenableitung.

Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber haben sich über den neuesten Stand der Technik und der Erkenntnisse auf dem Gebiet der menschengerechten Arbeitsgestaltung entsprechend zu informieren und diese zu berücksichtigen.

Hinsichtlich psychischer Arbeitsbelastung bildet die Ö-NORM EN ISO 10075 den Stand der Technik / Erkenntnisse auf dem Gebiet der Arbeitsgestaltung ab.

Teil 1 der ÖNORM 10075 legt den einheitlichen Sprachgebrauch (z.B. psychische Belastung / psychische Beanspruchung, Stressreaktion...) fest.
Teil 2 der ÖNORM 10075 enthält Leitsätze zur Gestaltung von Arbeitssystemen, einschließlich der Gestaltung von Aufgaben, der Arbeitsmittel, des Arbeitsplatzes und der Arbeitsbedingungen.
Teil 3 der ÖNORM 10075 legt Grundsätze und Anforderungen für die Messung und Erfassung von psychischer Arbeitsbelastung fest und spezifiziert Anforderungen an Messverfahren.

Die DIN EN ISO 9241, Teil 2 spiegelt den Stand der gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse zur menschengerechten Arbeitsgestaltung wider.

Wenn bereits eine allgemeine Arbeitsplatzevaluierung vorliegt, wird diese um die Arbeitsplatzevaluierung psychischer Belastungen ergänzt. Für die Durchführung kann die gesetzliche Präventionszeit genutzt werden. Präventivdienste und sonstige Fachleute wie z.B. ArbeitspsychologInnen können dafür erforderlichenfalls herangezogen werden.

Maßnahmen sind dann geeignet, wenn sie nachweislich Gefahren durch arbeitsbedingte psychische Belastungen reduzieren, in dem sie an der auslösenden gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingung ansetzen, für alle betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im evaluierten Arbeitsbereich wirksam sind und somit die jeweilige Arbeitsbedingung verbessern. Geeignete Maßnahmen wirken bedingungsbezogen, sind kollektiv wirksam und setzen an der Quelle (Gestaltung der Aufgabenanforderungen und Tätigkeiten, Arbeitsabläufe und Arbeitsorganisation, Soziales- und Organisationsklima und Arbeitsumgebung) an.

Möglichkeiten zur Überprüfung der Wirksamkeit festgelegter Maßnahmen im Sinne § 4 Abs. 4 ASchG gibt es viele.

Wichtig ist, dass die Vorgehensweise den betrieblichen Gegebenheiten und der Maßnahme selbst angepasst ist, um so optimale Ergebnisse zu erzielen. Das ist auch in Hinsicht darau zu berücksichtigen, dass eine Maßnahme ggf. noch adaptiert werden muss, damit Arbeitsbedingungen verbessert werden kann.

Möglichkeiten (exemplarisch):

  • Wiederholung des Messverfahrens (standardisierte und qualiätsgesicherte schriftliche Befragung, Gruppenworkshop, Beobachtungsinterview) mit Zusatzbeurteilung durch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, pro bereits ermittelter Gefahren und festgelegter Maßnahme für den jeweils betroffenen Arbeitsplatz
  • Überprüfung bei Begehung mittels Gesprächen
  • Stichprobenartige Befragung von betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
  • Themenverankerung in Jour-fixe, systematischen Gesundheitszirkeln, ...
  • Spezifisch je nach Maßnahme: Messung von Fehlern, Anzahl von Telefonaten, benötigte Arbeitszeit
  • Maßnahmenüberpüfungsworkshops 
 

Weiterführende Antworten auf häufig gestellte Fragen und Informationen

Letzte Änderung am: 06.03.2023